Schlagwort-Archive: Judith Haman

Über Bildende Künstler in den 
Konzentrationslagern
 Auschwitz, Theresienstadt, Neuengamme • lecture Judith Haman
 24.3.2015


A Lecture about Visual Artists in the Concentration Camps in Auschwitz, Terezín, Neuengamme and the Image Search to a Oil painting of Mrs. Alida Kisskalt,  Frau Wirths mit den Kindern (1941)

Über Bildende Künstler in den 
Konzentrationslagern Auschwitz,
Theresienstadt, Neuengamme
Kurzvortrag von Judith Haman  24.3.2015
Medizinhistorisches Museum Hamburg Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf.

.

kz_paintings_Auschwitz__Judith_Haman_lecture_2015

.


„Die menschliche Gestalt, die für die humanistische Kunst eine große Bedeutung hat, ist kaum mehr als solche erkennbar und hat mit der Darstellung früherer Epochen nichts mehr gemein. Wo ist das Fleisch an den Körpern? Viele Bilder konnten in der Tat als ausgezeichnete Studien über den Knochenbau dienen. Das ist es, was die Studenten brauchen: keine Muskeln, kein Fleisch, nur schlaff an den Knochen hängende Haut. Die Schädel sind zu groß für die eingefallenen Gerippe.

Man muss nur die verwelkten menschlichen Gestalten etwa mit dem herrlichen David Michelangelos vergleichen, um zu erkennen, was der Holocaust dem aus der Renaissance stammenden Bild des Menschen angetan hat.“

Alois Bucanek, 1945

Corona Papers #1: Bote und Botschaft ohne Körper

CORONA-PAPERS #1

Bote und Botschaft ohne Körper

Dies Bild fand Peter Weibel (ZKM Karlsruhe) in seinem Interview über die Auswirkungen der Corona-Krise.

Aus: Max Weber (1864-1920),  Diagnose der Moderne

„Es ist keinesfalls abwegig zu behaupten, daß die Auslöschung der Menschen mit dem Auslöschen der Keime beginnt, denn so wie er nun einmal ist, mit seinen Launen, seinen Leidenschaften, seinem Lachen, seiner Sexualität, seinen Ausscheidungen, ist der Mensch selbst nichts als ein dreckiger kleiner irrationaler Virus, der das Universum der Transparenz stört.
Wenn alles ausgemerzt ist, wenn der Virenentwicklung und jeglicher Ansteckung durch das Soziale oder durch Bazillen Einhalt geboten ist, dann wird, in einem Universum tödlicher Sauberkeit und Verfälschung, nur noch der Virus der Traurigkeit übrig bleiben.“

Aus: Michel Foucault, Die Geburt der Klinik, 1963, Kapitel 2: Ein politisches Bewusstsein 

„Epidemische Krankheiten nennt man alle jene Krankheiten, die eine große Anzahl von Personen zur selben Zeit mit denselben Symptomen befallen. Es gibt also keine Natur- oder Artdifferenz zwischen einer individuellen Krankheit und einem epidemischen Phänomen.
Es genügt, daß ein sporadisches Leiden gehäuft auftritt, dann ist es eine Epidemie. Es handelt sich um ein rein arithmetisches Problem der „Schwelle“: das Sporadische ist nur eine unterschwellige Epidemie. Wir haben es nicht mehr mit einer Wahrnehmung von Wesenheiten und Ordnungen zu tun wie in der Medizin der Arten, sondern mit einer Wahrnehmung von Größen und Zahlen.
Der Anhaltspunkt dieser Wahrnehmung ist nicht ein spezifischer Typ, sondern eine Verknotung von Umständen. Die vertrauten pathologischen Formen werden zitiert, um ein komplexes Spiel von Überkreuzungen zu bilden, etwa so wie Symptome eine Krankheit konstituieren. Der wesentliche Grund aber ist der Augenblick, der Ort, die scharfe, stechende, dünne schneidende Luft, die im Winter an diesen Orten herrscht.

Die Regelmäßigkeit der Symptome läßt keine Weisheit einer natürlichen Ordnung durchscheinen. Sie spricht nur von der Konstante der Ursachen, von der Hartnäckigkeit eines globalen Drucks, der eine bestimmte Krankheit hervorruft. Bald handelt es sich um eine Ursache, die längere Zeit anhält. Bald handelt es sich um Ursachen, die mit einem Schlag am selben Ort eine große Anzahl von Menschen angreifen, und zwar ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts und des Temperaments.
Sie stellen die Tätigkeit einer allgemeinen Ursache dar, diese ist aber als rein zufällig zu betrachten, da die von ihr hervorgerufenen Krankheiten nur eine bestimmte Zeit herrschen. Man muß nicht erstaunt sein, daß sich die Krankheit trotz der großen Verschiedenheit der betroffenen Personen, ihrer Anlagen und ihres Alters, bei allen in denselben Symptomen zeigt. Das kommt daher, daß die Trockenheit oder die Feuchtigkeit, die Hitze oder die Kälte, sobald sich ihre Tätigkeit etwas ausweitet, eines unserer konstitutiven Elemente – Alkali – Salz – Phlogiston – zur Vorherrschaft bringt „dann sind wir den Wirkungen ausgesetzt, die dieses Element hervorruft, und diese Wirkungen sind notwendigerweise dieselben für die verschiedenen Personen.

Die Analyse einer Epidemie stellt sich nicht die Aufgabe, die allgemeine Form der Krankheit zu erkennen, indem sie ihr im abstrakten Raum der Nosologie (systematische Beschreibung von Krankheiten) einen Platz anweist. Sie will vielmehr unterhalb der allgemeinen Zeichen dem besonderen Prozess auf die Spur kommen, der je nach den Umständen von einer Epidemie zur anderen variiert, der von der Ursache der Krankheit zu ihrer Form einen Faden zieht, welcher allen Kranken gemeinsam ist, aber nur an diesem Raumzeitpunkt vorkommt. Während sich die artbestimmte Krankheit immer – mehr oder weniger – wiederholt, wiederholt sich die Epidemie niemals.

In dieser Wahrnehmungsstruktur kommt dem Problem der Ansteckung relativ wenig Bedeutung zu. Die Übertragung von einem Individuum auf ein anderes ist in keinem Fall das Wesen der Epidemie.
Sie kann zwar in der Form des „Miasmas“ (Verunreinigung, Ansteckung, krankheitsverursachende Materie), die durch faulige Prozesse in Luft und Wasser entsteht oder des „Gärungsstoffes“, der sich durch die Nahrungsmittel, durch die Berührung, durch den Wind, durch die umgebende Luft ausbreitet, eine Ursache der Epidemie bilden, sei es eine direkte und erste (wenn sie die einzige tätige Ursache ist), sei es eine zweite Ursache (wenn in einer Stadt oder in einem Spital das Miasma das Produkt einer epidemischen Krankheit ist, die von einem anderen Faktor hervorgerufen wurde).
Aber die Ansteckung ist nur eine Modalität des massiven Faktums der Epidemie.
Ob sie nun ansteckend ist oder nicht – die Epidemie hat eine Art historischer Individualität. Daher erfordert sie eine komplexe Beobachtungsmethode: man muß das Ereignis im Detail beschreiben, in Zusammenhang stellen, den die Wahrnehmung durch verschiedene Personen einschließt. Überschneidungen der Perspektiven, wiederholten und korrigierten Informationen.
Aber diese Erfahrungsweise kann ihre volle Bedeutung nur erhalten, wenn sie von zwingenden Maßnahmen ständig begleitet wird. Es kann keine Medizin der Epidemien geben, die nicht durch die Polizei ergänzt wird: man muß die Bergwerke und die Friedhöfe überwachen, man muß möglichst oft die Einäscherung der Leichen anstatt ihrer Beerdigung erreichen; man muß den Handel mit Brot, Wein und Fleisch kontrollieren; man muß den Schlachthäusern und den Färbereien Verordnungen auferlegen, man muß die ungesunden Wohnungen verbieten.
Nach einer detaillierten Untersuchung des gesamten Territoriums müßte man für jede Provinz eine Gesundheitsverordnung erlassen, die „bei der Predigt oder in der Messe alle Sonn- und Feiertage zu verlesen wäre und die Art beträfe, in der man sich ernährt und kleidet, wie man Krankheiten vermeidet, wie man herrschenden Krankheiten vorbeugt und wie man sie heilt. usw.usw.

Schließlich müßte man einen Stab von Gesundheitsinspektoren schaffen, die man auf verschiedene Provinzen verteilen könnte, indem man jedem ein bestimmtes Gebiet zuweist. Hier würde er medizinische Beobachtungen anstellen, aber auch solche, die sich auf die Physik, Chemie, Naturgeschichte, Topographie und Astronomie beziehen.
Er würde die notwendigen Maßnahmen anordnen und die Arbeit des Arztes kontrollieren. 
Es wäre zu wünschen, daß es sich der Staat zur Aufgabe machte, diesen Ärzten das Auskommen zu sichern, und daß er die Auslagen übernähme, die die Neigung zu nützlicher Entdeckertätigkeit mit sich bringt.

Die Medizin der Epidemien widersetzt sich einer Medizin der Klassen ebenso, wie sich die kollektive Wahrnehmung eines globalen aber einzigen und sich niemals wiederholenden Phänomens von der individuellen Wahrnehmung abhebt, in der eine Wesenheit trotz der Vielfalt der Phänomene ständig als identisch erscheint.
In dem einen handelt es sich um die Analyse einer Serie, in dem anderen um die Entzifferung eines Typs; bei den Epidemien geht es um die Integration der Zeit und um die  Feststellung einer Kausalitätsbeziehung, bei den Arten um die Definition einer hierarchischen Stellung und um die Auffindung einer wesenhaften Kohärenz; handelt es sich hier um die nuancierte Wahrnehmung eines komplexen historischen und geographischen Raumes, so geht es dort um die Definition einer homogenen Ebene, auf der Analogien abzulesen sind.
Aber letzten Endes, wenn es sich um die tertiäre Konfiguration handelt, die die Krankheit, die medizinische Erfahrung und die Kontrolle des Arztes auf die gesellschaftlichen Strukturen bezieht, finden sich die Pathologie der Epidemien und die der Arten vor denselben Anforderungen, nämlich vor der Notwendigkeit, einen politischen Status der Medizin zu definieren und auf Staatsebene ein medizinisches Bewusstsein herzustellen, mit der Aufgabe ständiger Information, Kontrolle und Zwangsdurchsetzung. 
All diese Dinge betreffen eben so sehr die Polizei, wie sie in den eigentlichen Bereich der Medizin gehört.“

Der tiefere Grund der Epidemie ist danach nicht die Pest oder Corona, es ist Marseille im Jahre 1721 oder Italien, China, Spanien, USA, Deutschland und die ganze Welt im Jahre 2020.

Wie können wir daran weiterdenken: nach Foucaults Ausführungen in „Wahnsinn und Gesellschaft“, nach „Überwachen und Strafen“, und hier die Forderung, einen politischen Status der Medizin zu definieren und auf Staatsebene ein medizinisches Bewusstsein herzustellen, mit der Aufgabe ständiger Information, Kontrolle und Zwangsdurchsetzung.

Eine Normalisierungsgesellschaft ist der historische Effekt einer auf das Leben gerichteten Machttechnologie.

April 2020, Judith Haman

dazu auch: Foucault II: Der Virus und die Biopolitik/-macht
in dem Blog diebresche

Sa. 30.1.2016 • 14 – 17 Uhr Radiofeature: „wasche keine Hände…#2“ • FSK 93,0/101,4mhz, Dab+, Stream

Samstag, 30. Januar 2016  14 – 17.00 Uhr    FSK 93,0, 101,4, DAB+, Stream
Radiofeature:  „wasche keine Hände…#2“
die Radiofeatures bei archive.org:

Medizinforschung in Hamburg und Auschwitz – Recherchen und ihre Wirkung.
Über den Vortrag von Jutta Hübner in der Charité (Berlin) im Oktober 2015 über
medizinische Forschungen von Prof. Dr. Hinselmann in Auschwitz und die Folgen.
Ein neues Interview mit Peter Wirths – Sohn des Standortarztes in Auschwitz
Dr. Eduard Wirths zu seinem jetzigen Bild des Vaters.
Traumabearbeitung der Kinder und Enkel in der deutschen Normalität.
Dazu ein Interview mit Thomas Käpernick, Historiker und Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, u.a. bei dem Seminar “Ein Täter, eine Täterin in der Familie?”
Von Sabine Lueken, Journalistin und Historikerin, erschien in der konkret 12/15 ein Artikel über das mecklenburgische NS-“Musterdorf” Alt Rehse, im Interview sprechen wir über ihren Besuch bei der letzten Tagung des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen “Euthanasie” und Zwangssterilisation im Lern- und Gedenkort Alt Rehse und was sich aktuell tut in der ehemaligen Ärzteschule der Nazis in Alt Rehse?

Weitere Themen in der Sendung: 
die Künstler Felka Platek und  Felix Nussbaum,
die Ausstellung “Kunst aus dem Holocaust im Deutschen Historischen Museum in Berlin mit 100 Werken aus der Gedenkstätte Yad Vashem.

mit Dr. Jutta Hübner, Judith Haman, Heiner Metzger

“Kampf dem Gebärmutterhalskrebs” von Hamburg bis Auschwitz als “Forschung um jeden Preis” im Nationalsozialismus. Dr.Jutta Hübner / über Bildende Künstler im KZ Auschwitz. Judith Haman

Vortragsreihe zum 70. Jahrestag der Befreiung des KL Auschwitz
veranstaltet vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin und Medizinhistorisches Museum Hamburg.   27.1. – 7.4.2015

Dienstag 24. März 2015 18:00 Uhr

Dr. med Jutta Hübner 
“Kampf dem Gebärmutterhalskrebs” von Hamburg bis Auschwitz als “Forschung um jeden Preis” im Nationalsozialismus
Filmausschnitte: Splitter einer Recherche. Kolposkopie im KL Auschwitz – die Rolle der Frauenklinik Altona. Interview mit Dr. Jutta Hübner von Judith Haman, Hamburg 2014.

Judith Haman
über Bildende Künstler im KZ Auschwitz

Medizinhistorisches Museum Hamburg Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 
Martinistraße 52 20246 Hamburg 
————–
Video/Produktion: Judith Haman, Heiner Metzger 
wasche-meine-haende.de • hierunda.de
Hamburg 2015
©all copyrights bei den Vortragenden, Medizinhistorisches Museum und den Videoproduzenten

Di. 24.3.15 • Med.hist.Museum 18:00 • Vortrag Dr. med. Jutta Hübner, Judith Haman

Dienstag, 24. März 2015, 18.00 Uhr
Hörsaal  Medizinhistorisches Museum Hamburg

Dr. med Jutta Hübner und Judith Haman, Hamburg
“Kampf dem Gebärmutterhalskrebs” von Hamburg bis Auschwitz als “Forschung um jeden Preis” im Nationalsozialismus
+ über Bildende Künstler im KZ Auschwitz 

Filmausschnitte: Splitter einer Recherche. Kolposkopie im KL Auschwitz – die Rolle der Frauenklinik Altona. Interview mit Dr. Jutta Hübner von Judith Haman, Hamburg 2014.
……………

Vortragsreihe zum 70. Jahrestag der Befreiung des KL Auschwitz
27.1. – 7.4.2015 • Medizinhistorisches Museum UKE
Medizinhistorischen Museum Hamburg, Fritz Schumacher-Haus (Haus N30.b) / Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistraße 52, 20246 Hamburg.