Diplomarbeit von Arnd Schweizer ( Hannover, 15.8.1997)
Aus dem Vorwort:
“Mediziner spritzten Eiter in die Beine von KZ-Häftlingen, sie kastrierten Frauen und Männer mit Röntgenstrahlen. Zum Tode Verurteilte erfroren in eiskaltem Wasser oder starben in der Unterdruckkammer – alles im Namen der Wissenschaft. Am 20. August 1947 verurteilte der 1. Amerikanische Militärgerichtshof Ärzte und Funktionäre des Dritten Reiches wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Fast 50 Jahre später gedenkt der 99. Deutsche Ärztetag im Juni 1996 der Opfer der nationalsozialistischen Medizin – erstmals im Sinne einer umfassenden Schulderklärung. Spät ist die Reue, für viele der Mißhandelten und Getöteten kommt sie zu spät.
„Naturwissenschaftler interessieren sich nicht für die Geschichte ihrer Wissenschaft“ 1 schreibt der Molekulargenetiker Benno Müller-Hill 1984. Doch nicht nur Forscher verdrängten ihre Geschichte. 1952 sagte der Philosoph und Theologe Romano Guardini in der Universität Tübingen über die NS-Euthanasie:
„Es ist ein Anlaß zur tiefsten Beunruhigung, wie wenig dem deutschen Volk zu Bewußtsein gekommen ist, was sich da eigentlich zugetragen hat und was das Geschehen für seine, des deutschen Volks ganze Existenz bedeutet.“ 2
Sich zu erinnern ist mühsam, sowohl für Täter als auch für die Opfer. Seit dem Nürnberger Ärzteprozeß sind 50 Jahre vergangen. Dieser Zeitraum ist nicht nur ein Stück Zeitgeschichte. Er zeigt auch, ob und wie das Vergangene bewältigt wird. Ganz entscheidend sind dabei die Massenmedien. Als „vierte Gewalt“ obliegt ihnen die Aufgabe, Verborgenes sichtbar zu machen, Verdrängtes ans Licht zu bringen. Doch gelingt ihnen das? Greifen sie Themen frühzeitig auf, oder sind sie nicht auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft, die nicht sehen und nicht hören will?
Diese Arbeit möchte zeigen, auf welche Weise NS-Verbrechen von Ärzten – und damit ein Stück Vergangenheit – in den Medien aufgearbeitet werden.
Journalisten eröffnen der breiten Öffentlichkeit den wesentlichen Zugang zu geschichtlichem Wissen und historischen Perspektiven, schreibt Regina Holler3.
50 Jahre Zeitgeschichte werden so auch 50 Jahre Geschichts-Publizistik.”
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1 Müller-Hill, Benno: Tödliche Wissenschaft. Auszug aus dem gleichnamigen Buch in der ZEIT vom 13.7.1984, S. 45.
2 Zitiert nach Strothmann, Dietrich: Wo Gerechtigkeit ihre Grenzen hat. ZEIT vom 8.6.1984, S. 23-24.
3 Holler, Regina: 20 Juli 1944, Vermächtnis oder Alibi? München, Saur 1994 (=Kommunikation und Politik; Bd. 26), S. 7.
Die vollständige Diplomarbeit >>> http://www.redaktion-medizin.de/img/dipl_as.pdf