Archiv der Kategorie: wasche meine Hände 27.1.2015

wasche meine Hände …

2011
wasche meine Hände • räumliche Inszenierung 6.4.- 30.5.2011
Ärztehaus Hamburg

Podcast der Radiosendung am 29.2.2012 von 10 – 12.00 Uhr
bei FSK 93,0/101,4 mhz
über die räumliche Inszenierung im Ärztehause Hamburg, Mitschnitte der beiden Eröffnungsreden von Dieter Bollmann und Rahel Puffert und dem Trailer des

Videos von Skrollan Alwert, mit Texten von Evelyn HauensteinT.W. Adorno und Judith Haman.

2012
wasche meine Hände #2
Radiofeature:
Alt-Rehse 1935 – ein Trainingslager für ärztliche Mörder
Ein Besuch 2012 im mecklenburgischen Alt Rehse, idyllisch gelegen am Tollensesee. Der Umbau des Guts Alt-Rehse zum deutschen Trainingslager für ärztliche Mörder wurde am 1.6.1935 mit großem Aufwand gefeiert, die Eröffnungsrede von Rudolf Heß durch sämtliche Radiosender deutschlandweit übertragen.

Diese “reichsweit” einmalige Einrichtung diente bis 1943 der ideologischen Schulung von deutschen Ärztinnen und Ärzten, Hebammen, Apothekern sowie Angehörigen der gesundheitspolitischen Institutionen. Ein Viertel der deutschen Jungärzte wurde im Zentrum der NS Eugenik geistig und körperlich “erzogen”und erhofften sich einen Karrieresprung durch ihre Teilnahme. 
Nach der Befreiung übernahm die sowjetische Armee die Anlage, darauf folgten NVA und Bundeswehr. Als Nachkomme ihrer Vorgängerorganisation in der Nazizeit macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) 1991 Rückgabeansprüche auf die “NS Ärzteführerschule” geltend sowie auf den Grund und Boden und die Häuser des ehemaligen Nazi-Musterdorfs.
In jahrelangen Prozessen kämpften die Alt-Rehser darum, die Häuser der KBV nicht abkaufen zu müssen.  Am Ende verzichtet die KBV, die Kosten für den Erhalt waren ihr zu hoch. Den 65 Hektar großen Park mit  dem altem Gutshaus und den Schulungsräumen kaufte 2006 ein Wirtschaftsjurist aus Bayern für 2 Mio. € s 
Der “Tollense Lebenspark”, eine esoterische Gemeinschaft,  pachtete den Park und  die Gebäude, sie wollten ihn in einen Ort verwandeln, “an dem es viel Arbeit gibt und sich gut leben lässt”. Die assoziierte “Stiftung Medizin und Gewissen” fördert die “Erforschung (…) der bewegten und bewegenden Geschichte des Parks”, sonst werden Menschen eingeladen zum “Bewusstseinswandel in der weitläufigen Natur und den vielen versteckten Kraftplätzen” und dabei “geistes-, tat- und finanz-kräftig mit anzupacken”.
(update: der “Tollense Lebenspark” ist schon seit Jahren Pleite und mußte nun die Pachtfläche verlassen. >> Juristisches Ende eines Lebenstraums, Nordkurier 14.04.2015)

Der Verein “Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e.V.” (EBB) “hat sich zum Ziel gesetzt, die Ergebnisse seiner Gedenkstättenarbeit in eine zukunftsorientierte und moderne Bildungsarbeit zu integrieren” und erhofft sich eine geregelte Förderung.



O-Töne, die Geschichte der ehemaligen “Führerschule der Deutschen Ärzteschaft Alt Rehse”, ihre Hauptakteure und deren Werdegang nach 1945, die weitere Nutzung des Gutsparks bis heute.

Ein Feature von Judith Haman und Heiner Metzger.

 

 

 

 

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Bild Doris Zinkeisen, 1945, Bergen-Belsen

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Waschung Muselmänner Bild Doris Zinkeisen,1945, Bergen-Belsen

Am Lagerleben zerbrochene Menschen wurden im KZ „Muselmänner“ genannt.

„Alle Muselmänner, die im Gas enden, haben die gleiche Geschichte, besser gesagt, sie haben gar keine Geschichte; sie sind dem Gefälle gefolgt bis in die Tiefe, ganz natürlich, wie die Bäche, die schließlich im Meer enden. Im Lager kamen sie auf Grund der ihnen eigenen Untüchtigkeit oder durch Unglück oder durch irgendeinen banalen Umstand zu Fall, noch bevor sie sich hätten anpassen können, sie konnten mit der Zeit nicht Schritt halten, und sie fangen erst dann an, Deutsch zu lernen und sich ein wenig in dem infernalischen Durcheinander von Geboten und Verboten zurechtzufinden, wenn ihr Körper schon in Auflösung begriffen ist und sie nichts mehr vor der Selektion oder dem Erschöpfungstod bewahren könnte. Ihr Leben ist kurz, doch ihre Zahl ist unendlich. Sie, die Muselmänner, die Verlorenen, sind der Nerv des Lagers: sie, die anonyme, die stets erneuerte und immer identische Masse schweigend marschierender und sich abschuftender Nichtmenschen, in denen der göttliche Funke erloschen ist und die schon zu ausgehöhlt sind, um wirklich zu leiden. Man zögert, sie als Lebende zu bezeichnen, man zögert, ihren Tod, vor dem sie nicht erschrecken, als Tod zu bezeichnen, weil sie zu müde sind, ihn zu fassen. Sie bevölkern meine Erinnerung mit ihrer Gegenwart ohne Antlitz; und könnte ich in einem einzigen Bild das ganze Leid unserer Zeit einschließen, würde ich dieses nehmen, das mir vertraut ist: Ein verhärmter Mann mit gebeugter Stirn und gekrümmten Schultern, von dessen Gesicht und Augen man nicht die Spur eines Gedankens zu lesen vermag.“
(Primo Levi, Ist das ein Mensch? DTV, 2002)

Zeichnung Edgar Ainsworth, 1945, Bergen-Belsen

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Muselmann_Zeichnung_Edgar_Ainsworth_1945_Bergen-Belsen

 

„Der Muselmann verkörpert die anthropologische Bedeutung absoluter Macht in besonders radikaler Form. Im Akt des Tötens hebt sie sich selbst auf. Der Tod des anderen beendet das soziale Verhältnis. Durch das Aushungern jedoch gewinnt sie Zeit. Sie errichtet ein drittes Reich zwischen Leben und Tod. Wie der Leichenhaufen dokumentiert der Muselmann den vollkommenen Triumpf über den Menschen. Obwohl noch am Leben, ist er eine namenlose Gestalt. In seinem Siechtum verwirklicht sich das Regime (…).“
“Einmal Krankheitsbild oder ethische Kategorie, einmal politische Schranke oder anthropologischer Begriff, ist der Muselmann ein undefiniertes Wesen, in dem nicht allein Menschlichkeit und Nicht-Menschlichkeit, sondern auch das vegetative Leben und das der Beziehungen, Physiologie und Ethik, Medizin und Politik, Leben und Tod kontinuierlich ineinander übergehen. Deswegen ist sein „drittes Reich“ die vollkommenen Chiffre des Lagers, des Nicht-Ortes, an dem alle Grenzen zwischen den Disziplinen zusammenbrechen, alle Dämme überschwemmt werden.”
(Wolfgang Sofsky, Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager, 1993, Fischer Verlag, S. 230)

Zeichnungen Per Ulrich

Per Ulrich
(Vesterbolle/Himmerland in Dänemark 1915– 1994 )

Zeichnungen im KZ Neuengamme

Ca. 200 Zeichnungen konnte er aus dem KZ retten, viele Blätter gingen verloren u.a. ein Stapel von 250 Zeichnungen.
Nach der Befreiung publizierte er noch 1945 das Buch „Zeichnungen aus deutschen Konzentrationslagern) mit 52 Zeichnungen, eigenen Bildunterschriften sowie Texten. Die Originale befinden sich heute im Museet for Danmarks Frihedskamp 1940-1945 in Kopenhagen. Er selbst war der Meinung, dass seine KZ-Zeichnungen qualitativ hochwertiger seien als sein späteres Werk.
Buch „Kriegshumor“, 1943, aufgrund dessen wurde er verhaftet und wegen Majestätsbeleidigung angeklagt, danach im Lager für dänische Widerstandskämpfer. Von der Gestapo als politischer Schutzhäftling nach Warnemünde, Bützow/Dreibergen deportiert, weitere Stationen Güstrow, Sachsenhausen, KZ Neuengamme.

Aus dem Buch „Die Zeichnung überlebt…“ Bildzeugnisse von Häftlingen des KZ Neuengamme von Maike Bruhns, Edition Temmen, 2007

Über die Muselmänner im KZ schrieb Per Ulrich in seinem Buch „Tegninger fra tyske Koncentrationslejre, Schlusstext, 1945

Der „Muselmann“ besteht nur aus Haut und Knochen. Die Kieferknochen stehen im Gegensatz zu den Falten, die sich am Hals gebildet haben, scharf unter der strammen Haut des Kinns hervor. Die Hüftknochen stehen in stummer Anklage als Gewölbe unter dem Brustkasten. Die Knie und Ellenbogen scheinen geschwollen und schwammig. Ein „Muselmann“ ist ein Skelett mit Haut darüber, mit einer erschreckenden Unheimlichkeit, denn das Skelett ist halblebendig. Es bewegt sich. Vornüber gebeugt mit dem Kopf zwischen den spitzen, abgemagerten Schultern, starr in den Gelenken schleppt er sich dahin auf steifen Altmännerbeinen. Die Haut ist schorfig, stockfleckig und schmutzig. Das Zeug hängt lumpig, nass und vom Durchfall durchsetzt, an ihm. Die Lebenslust ist weg, die Augen leer und ausdruckslos. Sie starren, ohne zu sehen. Man kann nicht mit ihm sprechen. Eine Unterhaltung kommt überhaupt nicht zustande. Der Denkvorgang ist auf einen einzigen Gedanken beschränkt, der in seiner Gehirnschale umgeht: Essen, Essen. Er ist schon eine Leiche, eine lebende Leiche. Zu schwach, um seine unzureichende Ration zu essen, aber trotzdem presst er seinen trockenen Roggenbrotkanten in sich hinein. So schwach ist er, dass ein Zug an einer Zigarette den letzten Funken Leben zum Erlöschen bringen würde.

Und doch war er vor einigen Wochen ein Mensch, der des Lebens froh war, vielleicht war er ein angesehener und bekannter Mann in seinem Land.  Der Tod eines“Muselmanns“ war demütigend und elend, und doch wurde er das Los von Tausenden und Abertausenden tapferen Freiheitskämpfern.
(Seite 161)

Zeichnungen Alois Bucanek 1945 Theresienstadt

Zeichnung_Alois_Bucanek_Theresienstadt_1945

 

 

Selbstportrait_Alois_Bucanek_Theresienstadt_1945

 

 

 

 

Der Rassismus ist genau das, was es der Bio-Macht erlauben wird, in das „biologische Kontinuum der menschlichen Gattung“ Zäsuren einzuzeichnen und auf diese Weise in das System des „Leben-Machens“ wieder das Prinzip des Krieges einzuführen. In diesem biologischen Kontinuum stellt nämlich „das Auftauchen von Rassen, die Unterscheidung von Rassen, die Hierarchie von Rassen und die Bewertung bestimmter Rassen als gut und anderer als minderwertig, eine Art und Weise dar, das biologische Feld, das die Macht besetzt, zu fragmentieren; eine Art und Weise, im Inneren der Bevölkerung Gruppen gegeneinander auszuspielen und, kurz gesagt, eine Zäsur biologischen Typs in einen Bereich einzuführen, der sich eben als biologischer Bereich darstellt.“
S. 74, Giorgio Agamben, Was von Auschwitz bleibt, Suhrkamp Verlag, 2013 / Zitat aus: Michel Foucault, In Verteidigung der Gesellschaft, Suhrkamp 1999

S.75
Man versteht nun die entscheidende Funktion der Lager im System der nationalsozialistischen Biopolitik. Sie sind nicht nur der Ort des Todes und der Vernichtung, sondern auch und vor allem der Ort der Produktion des Muselmanns, der letzten im biologischen Kontinuum isolierbaren biopolitischen Substanz.
Jenseits davon ist nur die Gaskammer.